These und Antithese – Kapitulation oder Motivation?

Im Netzwerk von 1530blog.de  hat Kollege Tery Whenett von zweierkette.de in einem Artikel „23+1 Thesen zur Dominanz – der Bayern, des Geldes, der Retortenklubs, des modernen Fußballs“ aufgestellt. Die anderen Blogger wurden aufgefordert, sich mit den Thesen auseinander zu setzen. Hier unsere 23+1 Antithesen.

1. Entscheidend ist nicht mehr nur auf dem Platz.

War es noch nie. Zum Fußball gehört mehr als nur die 90+x Minuten auf dem Platz. Selbst „in der guten alten Zeit“ war die Vorbereitung ebenso wichtig. Mit einer guten Taktik und der richtigen Einstellung konnten auch qualitativ schlechtere Teams gewinnen. Richtig ist aber, dass heute viel mehr zum Fußball gehört, als das reine Spiel. Training(slager), Fitness, Taktik, Ernährung, Schlafgewohnheiten usw. – Mittlerweile sind die Profis quasi 365 Tage im Jahr und rund um die Uhr auf Leistungssport eingestellt. Ansonsten fehlt in den wichtigen Spielen das eine Prozent an Leistung.

Richtig ist auch, dass Teams mit besseren finanziellen Rahmenbedingungen letztlich auch die größere Chance haben zu gewinnen. Aber auch das war früher schon so.

 

2. Eine Krise kann eine Niederlage gegen Bayern beinhalten, wird aber nie durch eine solche begründet.

Die Aussage pauschal auf die Bayern einzuschränken ist falsch. Richtig ist, dass es für Teams aus dem unteren Tabellenbereich eine andere Situation ist, gegen ein Topteam zu verlieren, als gegen einen direkten Abstiegskonkurrenten. Es dürfte aber weiterhin auf die Art und Weise der Niederlage ankommen. Das 0:6 der Bremer in München war z.B. ein Armutszeugnis. Ohne eigenen Torschuss zu verlieren ist eine Bankrotterklärung, unabhängig vom Gegner. Auch dieses Spiel dürfte mit zur Entlassung von Robin Dutt beigetragen haben.

Weiterhin gibt es zwei Arten mit der Dominanz der Bayern umzugehen. Sie zu akzeptieren und aufzugeben, oder das Niveau des Rekordmeisters als Herausforderung zu sehen, um sich daran zu messen.

Armin Veh hat bspw. mit Frankfurt in der letzten Saison von vorne herein aufgegeben. Er schonte bzw. schützte seine besten Spieler vor Überlastung und Gelbsperren. Lucien Favre oder Jürgen Klopp sehen den FC Bayern eher als Ansporn und versuchen mit ihren Mitteln den Münchnern das Spiel zu erschweren. Den Weg können sich andere Trainer und Vereine selber aussuchen.

 

3. Konkurrenz belebt das Geschäft.

Richtig. Ohne Konkurrenz wird auch der FC Bayern langfristig in seiner Entwicklung stagnieren.

 

4. 50+1 muss weg.

Die 50+1 Regelung soll die Übernahme von Vereinen durch Investoren verhindern. Allerdings gibt es in Deutschland eine Anzahl von Schlupflöchern und einige Möglichkeiten trotzdem Investoren ins Boot zu holen. Der FC Bayern hat Anteile der AG an Partner verkauft. Borussia Dortmund ist an die Börse gegangen und plant mit Puma und Signal Iduna weitere Aktiengeschäfte. Leverkusen und Wolfsburg können über spezielle Regelungen für Werksvereine Unterstützungen des Mutterkonzerns erhalten. Klaus-Michael Kühne hilft dem HSV regelmäßig mit Investitionen. Martin Kind umgeht die 50+1 Regelung in Hannover durch eine 20-Jahre-Klausel für langjährige Investoren. Hertha BSC hat sich über den Investor kkr neue finanzielle Möglichkeiten erschlossen..  Die Beispiele zeigen, dass auch ohne den Wegfall der 50+1-Regelung deutsche Vereine Millionen an zusätzlichen Mitteln generieren können.

 

5. Leipzig wird eher Deutscher Meister als Bremen, Hamburg oder Stuttgart.

Vermutlich hat Tery Whenett mit dieser These recht. Wobei bei den genannten Vereinen schon differenziert werden muss. Werder Bremen gelang es über Jahrzehnte mit geringen finanziellen Mitteln, große Erfolge zu feiern. Der HSV hat eine Menge Geld verbrannt, Titel blieben aber aus (Details siehe hier). Bei Stuttgart ist die Situation ähnlich wie in Hamburg, allerdings haben die Schwaben zumindest 2007 die Meisterschaft gewonnen. Wem ist hier also ein Vorwurf zu machen? Vielleicht eher den Traditionsvereinen, die trotz bester Rahmenbedingungen immer wieder scheitern?!

 

6. Geld schießt keine Tore. Geld kauft Spieler, die Tore schießen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass teurere und damit im Normalfall bessere Spieler auch das Tor treffen, ist selbstverständlich höher.

 

7. Fußballer sind auch nur Menschen.

Nicht alle – Ibrahimovic ist Gott!

 

8. Salary Cap und Play-Offs um die Meisterschaft sind keine Option.

… in Europa! Das Schlagwort „Salary Cap“ wird immer wieder als Lösungsvorschlag für den europäischen Fußball genannt. Dabei wird aber vollkommen außer Acht gelassen, dass die amerikanischen Sportarten in ihrer gesamten Struktur vollkommen anders aufgebaut sind, als Verbände und Ligen in Europa. Vom Unterbau der High-Schools und Universitäten, über den Draft der Nachwuchsspieler bis hin zu fehlenden Abstiegsmöglichkeiten gibt es eine Vielzahl an weiteren Regelungen, die in dieser Form auf der anderen Seite des Atlantiks nicht existieren. Weiterhin ist „Salary Cap“ nicht gleich „Salary Cap“. Von Sportart zu Sportart sind auch hier die Regelungen äußerst unterschiedlich. In der NHL gibt es einen „Hard Salary Cap“ mit einer festen Obergrenze, in der NBA einen „Soft Salary Cap“ mit einer stufenweise steigenden „Straftsteuer“ für das Überschreiten einer festgelegten Grenze. Und das sind nur zwei Beispiele!

Der Hinweis auf Playoffs ist ebenso bemerkenswert. Playoffs favorisieren statistisch gesehen immer die stärkere Mannschaft. Ein überraschender Sieg durch einen Außenseiter ist in einer Playoffserie noch unwahrscheinlicher, als in einem Spiel. Damit würden also die Marktführer ihre Erfolgschancen noch weiter verbessern.

 

9. 50+1 muss bleiben.

Wenn es in Deutschland keinen FC Portsmouth oder ähnliche Fälle geben soll, dann ist eine Regelung wie 50+1 weiter erforderlich.

 

10. Es gibt keine gerechte Lösung.

Was ist gerecht? Sollen die, die über Jahre und Jahrzehnte gute Arbeit geleistet haben, ihren Status verschlechtern, damit weniger erfolgreiche Vereine eine Chance haben? Haben Vereine ein Art „Gewohnheitsrecht“ und dürfen nicht absteigen, weil sie schon immer dazu gehört haben? Ist es ungerecht sportlichen Erfolg zu haben, wenn die vorgegeben Regularien eingehalten werden?

 

11. Es gibt keinen trickle-down-effect.

Ein „trickle-down-effect“ ist sehr wohl zu spüren. Überspitzt gesagt sind die Top-3 der deutschen Sportarten die Bundesliga, die Nationalmannschaft und die 2. Bundesliga. Die erhöhte Aufmerksamkeit durch erfolgreiche Spitzenmannschaften hat also sehr wohl einen positiven Effekt auf Teams in unteren Ligen (und im Übrigen einen gegenteiligen Effekt auf andere Sportarten).

Genauso wie es einen tricke-down-effect gibt, gibt es aber auch den Effekt, dass sich die Sponsoren gerne im Licht der großen sonnen. „The rich get richer“ gilt also ebenso.

 

12.Die Spannung einer Liga definiert sich nicht (ausschließlich) über den Meisterschaftskampf.

Das war auch schon immer so. Fans von Vereinen wie Mainz, Freiburg, Hannover oder Hertha BSC haben realistisch gesehen kaum die Meisterschaft als Saisonziel im Auge. Richtig ist aber auch, dass ein spannender Meisterschaftskampf und mehrere Teams mit einer Titelchance für erhöhte Aufmerksamkeit der gesamten Liga sorgen.

 

13.Ein Verein – und sei er noch so groß – lebt von der Liga, in der er spielt.

Nein, denn die großen Vereine spielen heute in mehreren Ligen. Die Champions League ist ein zweiter Wettbewerb der für die Teams an der Spitze der Bundesliga an Bedeutung gewonnen hat. Die Qualifikation für die Champions League (oder die Europa League) erfolgt aber nur über die nationale Liga. Deshalb wird diese weiterhin ihre Bedeutung haben.

 

14. Gegen finanzielle Hegemonie ist taktische Innovationskraft hilflos, aber das einzige Mittel.

Wenn diese These zutreffen würde, dann müsste der finanzstärkste Verein automatisch immer Meister werden. Das ist aber nicht immer der Fall, siehe 17.

Wie wäre es denn mit neuen Ideen, oder zumindest dem Ausnutzen der bestehenden Möglichkeiten? Die Märkte Asien, Indien und die USA sind für Mannschaften aus der „Weltmeisterliga“ sicher lohnende Ziele. Aber welche Teams, außer dem Branchenführer, waren denn wirklich unterwegs im Sommer?

Die Bayern hatten letzte Saison Wiesentrikots. Wo bleiben Dortmunder oder Schalker Trikots mit Zeche auf dem Jersey? Wann kommt das Karnevalstrikot der Kölner oder Mainzer? Wann spielt der HSV im Kapitänskostüm? Innovationen und Ideen in allen Bereichen sind nicht verboten.

 

15. Die wenigsten erfolgreichen Mannschaften erhalten am Saisonende einen Titel.

Die Definition von Erfolg ist abhängig von der Zielsetzung. War die Saisonvorgabe ein einstelliger Platz, und reicht es dann für Europa, so war die Spielzeit sicher auch ohne Titel äußerst erfolgreich. Hält sich ein Verein wie Paderborn in der ersten Liga, kann nicht von Erfolgslosigkeit gesprochen werden.

 

16. Die Europa-Liga wird kommen.

Als Ersatz für die nationalen Ligen nicht. Eine Erweiterung oder Reform der Champions League oder eine Art Sommerliga in den Jahren ohne EM oder WM ist aber denkbar.

 

17. Bayern war in den letzten vier Jahren genauso oft Meister wie Dortmund.

Fakt.

 

18. Bayern war in den letzten einundzwanzig Jahren zwölf Mal Meister.

Siehe 17. Wieder ein Fakt.

Wichtiger als diese Statistiken ist aber, dass in den 21 Jahren außer dem FC Bayern noch 5 andere Mannschaften Meister wurden. Verglichen mit England und Spanien hat die Bundesliga damit immer noch die größte Zahl an unterschiedlichen Meistern in den letzten 21 Jahren gehabt. Außerdem gab es auch in England in diesem Zeitraum mit Manchester United ein Team das 12 nationale Meisterschaften gewann.

Deutschland: FC Bayern (12), Borussia Dortmund (5), 1.FC Kaiserslautern (1), Werder Bremen (1), VFB Stuttgart (1), VFL Wolfsburg (1)

England: Manchester United (12), Arsenal FC (3), Chelsea FC (3), Manchester City (2), Blackburn Rovers (1)

Spanien: FC Barcelona (9), Real Madrid (7), Athletico Madrid (2), Deportivo Valencia CF (2), La Curuna, (1)

 

19. “Die anderen tun zu wenig.” (Matthias Sammer)
Das ist ein falsches Zitat. Sammer hat diesen Satz so nicht gesagt. Sein Aussage: „Vielleicht sind wir von der Qualität, aber auch von der Mentalität im Moment anderen überlegen. Und vielleicht ist das die Message nach draußen: Wird denn woanders auch jeden Tag akribisch trainiert, als würde es kein Morgen geben? Das tägliche Training, die tägliche Ansprache ist das Produkt einer Entwicklung. Und die hat der eine oder andere Klub in Deutschland nicht.

Sammer bezog sich dabei auf die Vorwürfe, dass die Bayern mit ihrem Geld anderen Vereinen die fertigen Spieler wegkaufen würden und eben nicht selber aktiv an der Entwicklung einer Mannschaft arbeiten würden. Sehr wohl nahm Sammer dabei allerdings in Kauf, dass seine Aussagen auch die Arbeit bei den anderen Bundesligisten in Frage stellen.

Für einen Teil der Vereine trifft das sicherlich auch zu. Hamburg holt aktuell Reformen nach, die bereits vor 15 Jahren überfällig waren. Der FC Schalke ist der neue FC Hollywood. Wolfsburg hat sich erst jetzt von der Ära Magath erholt. Leverkusen ist immer noch ohne Meistertitel. Der VFB ist der 2.Bundesliga näher als Europa. Gutes Management und konstantes Arbeiten sind die Basis für Erfolg.  Diese Grundvorraussetzungen sind aber nicht bei allen potenziellen Spitzenvereinen in Deutschland gegeben. Ändert sich das jedoch in den nächsten Jahren, dann wird in der Bundesliga der Wettbewerb um den Titel wieder größer.

Dortmund hat beispielsweise seit dem Fast-Bankrott hervorragende Arbeit geleistet. Aufgrund der damaligen finanziellen Situation musste die Borussia aber auch festgeschriebene Ablösesummen in einige Verträge schreiben. Mittlerweile ist die Borussia aber so gut aufgestellt, dass Marco Reus – sollte er wirklich den BVB verlassen – der letzte Abgang auf diesem Weg sein dürfte. Der Dortmunder Weg ist für andere Bundesligisten ebenfalls möglich – wenn sie denn hart daran arbeiten!

 

20. Es gibt keine Lösung ohne Reformen auf FIFA- und UEFA-Ebene.

Wie sollte eine solche Reform aussehen? Die FIFA und/oder die UEFA drehen die Kapitalisierung des Fußballs zurück, und am Ende spielen wieder 11 Freunde vor 15.000 Zuschauern in einem alten Stadion, in dem der Eintritt 10 Euro kostet?

 

21. Die Schere zwischen den Vereinen öffnet sich ebenso schnell wie die zwischen den Ligen.

Die These dürfte stimmen. Die wesentlich Funktion einer Schere ist aber, dass sie sich auch schließen lässt. Wie bei anderen Thesen erwähnt, können Ideen und Innovationen wieder zum Verkleinern der Lücke führen.

 

22. Financial Fairplay ist ein Instrument zur Machterhaltung im Status Quo.

Financial Fairplay soll dafür sorgen, dass nur die Vereine sportlich erfolgreich sein können, die auch wirtschaftlich seriös arbeiten. Financial Fairplay soll nicht im Gießkannenprinzip die Einnahmen unter allen gleich verteilen.

 

23. Man kann Genuss daraus ziehen, dass die Bundesliga mindestens einen Verein aus der absoluten Spitze beheimatet.

Alles eine Frage der Perspektive.

 

24. Mit dieser Liste ist auch keinem geholfen.
Mit den Antworten vermutlich auch nicht.

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