Besser als erwartet – der FC Bayern beim Telekom Cup
Matthias Sammer hatte gewarnt. Der Sportvorstand des FC Bayern drückte in der letzten Woche seine Bedenken darüber aus, dass der enge Terminkalender der Münchner eine gute Saisonvorbereitung unmöglich machen würde. “Die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Aufbau unserer Spieler und dafür keine Zeit zu haben, macht mir Angst” sagte der 46jährige noch vor einigen Tagen.
Am vergangenen Wochenende, beim Telekom Cup in Hamburg, konnte sich die Öffentlichkeit erstmals ein eigenes Bild über die Frühform der Bayern machen. Dabei trat der FCB in der Imtech Arena noch ohne die deutschen Weltmeister, Dante und Arjen Robben an. Stattdessen standen mit Gianluca Gaudino und Lucas Scholl die Söhne zweier ehemaliger Bundesligaspieler und gleichzeitig zwei hoffnungsvolle Talente im Kader. Außerdem spielte Holger Badstuber, erstmals seit seiner Verletzung vom 1. Dezember 2012, wieder gegen Bundesligamannschaften.
Badstuber als Kapitän – Gegen Gladbach unglücklich, gegen Wolfsburg verbessert.
Der 25jährige durfte den Titelverteidiger – 2013 hatten die Bayern in Mönchengladbach souverän den Telekom Cup gewonnen – dann auch im ersten Spiel gegen die Borussia als Kapitän aufs Feld führen. Die durchwachsene Leistung von Badstuber stand dabei im ersten Spiel stellvertretend für die Leistung der Bayern in dieser Partie insgesamt.
Zu Beginn der Begegnung wirkte Badstuber nervös und brachte seine Mitspieler durch Fehlpässe mehrfach in Bedrängnis. Zwar steigerte er sich im Verlauf des ersten Spiels, aber Badstuber verursachte auch den ersten Gladbacher Elfmeter. Wobei die Entstehung des Strafstoßes noch als äußerst unglücklich bezeichnet werden kann. Badstuber wurde aus kurzer Distanz angeschossen.
Den eigenen Strafstoß im Elfmeterschießen verwandelte der Abwehrspieler aber souverän, und auch in der zweiten Partie gegen den VFL Wolfsburg war zu erkennen, dass jede Minute Spielpraxis gegen höherklassige Gegner Badstuber wieder näher an sein früheres Leistungsvermögen bringt.
Rode, Bernat & Gaudino – Neuformiertes Mittelfeld überzeugt
Während mit Javi Martinez, David Alaba und Rafinha in der Abwehr ansonsten vertraute Gesichter für den FC Bayern aufliefen, schickte Pep Guardiola im Mittelfeld gleich drei Neulinge in der ersten Mannschaft aufs Feld.
Der ehemalige Frankfurter Sebastian Rode zeigte dabei in beiden Spielen eine starke Leistung, und belohnte sich für sein engagiertes Auftreten im Finale mit dem Treffer zum 2:0.
Auch der zweite Neuzugang Juan Bernat deutete an, dass er mehr sein kann, als nur ein Ergänzungsspieler. Auf der linken Außenbahn überzeugte der kleine Spanier auf Anhieb. Schnell, ballsicher und mit einem giftigen Zweikampfverhalten zeigte der 21jährige sofort, warum die Münchner die 10 Millionen Euro Ablöse an seinen alten Verein FC Valencia gut investiert haben dürften. Matthias Sammer beantwortete die Frage, wie er die Entwicklung des Spaniers bisher einschätzt, dann auch entsprechend positiv:” Wir sind sehr zufrieden, er hat sich super integriert.”
Und auch der dritte “neue” Spieler im Mittelfeld, Gianluca Gaudino, der bisher nur bei den Jugendmannschaften des FC Bayern zum Einsatz gekommen war, sorgte beim Sportvorstand für Begeisterung: “Da spielt so ein kleiner 17jähriger im zentralen Mittelfeld und spielt Fußball, als hätte er in dieser Mannschaft eigentlich noch nie etwas anderes getan.”
Robéry – andere Zusammenstellung – dennoch Weltklasse
Die Offensive der Münchner war eine der großen Unbekannten vor dem Turnier. Wie würde sich Robert Lewandowski bei seinem neuen Verein zurechtfinden? Und wie gesund ist Franck Ribéry, nachdem er seine Teilnahme an der Weltmeisterschaft wegen Rückenproblemen absagen musste?
Die Fragen wurden von den beiden Protagonisten auf dem Platz beantwortet. Zuerst erzielte Robert Lewandowski im Spiel gegen Gladbach ein Traumtor zum 1:0. Gegen mehrere Verteidiger behauptete er den Ball, und lupfte dann mit beeindruckender Ruhe über Janis Blaswich ins verwaiste Gladbacher Gehäuse. Den zweiten Treffer gegen die Borussia erzielte Ribéry, der nach einem Solo ebenfalls per Lupfer traf.
Im Finale gegen Wolfsburg war es dann eine Co-Produktion der neuen Version von Robéry, die zum Führungstreffer führte. Ribéry setze sich am rechten Flügel durch und flankte von der Grundlinie an die Kante des Fünfmeterraums. Dort stieg Lewandowski hoch und verwertet die Hereingabe mit einem wuchtigen Kopfball. Das 3:0 erzielte Lewandowski dann auch noch, diesmal mit einem Schlenzer aus 18 Metern.
Doch es waren nicht nur die Tore, die dafür sorgten, dass Lewandowski und Ribéry bei ihren Auswechslungen im Finale jeweils mit “Standing Ovations” vom Hamburger Publikum verabschiedet wurden. Speziell der kleine Franzose sprühte vor Spielfreude, und sorgte mit seinen Antritten und Tempodribblings immer wieder für ein Raunen in der Imtech Arena. Und das Robert Lewandowski ein torgefährlicher Stürmer ist, mit dem die Mitspieler zusätzlich auch hervorragend kombinieren können, war schon aus seinen Dortmunder Tagen bekannt.
Sammer schickte Ribéry Fitnesstrainer in den Urlaub
Vielleicht ein Vorteil für den weiteren Verlauf der Saison, dass die beiden Offensivspieler nicht an der Weltmeisterschaft teilgenommen haben. Doch zumindest bei Ribéry bestand die spielfreie Zeit nicht aus Erholung. Sportvorstand Sammer hatte dem Franzosen für seine letzte Urlaubswoche einen individuellen Betreuerstab nach Ibiza geschickt. “Das hab in aller erster Linie ich zu verantworten, dass da ein Physiotherapeut war und ein Fitnesstrainer.” Laut Sammer wurde mit dieser Maßnahme eine erste Grundlage für die kommende Saison gelegt: “Genau da haben wir vorbereitet, was wir heute gesehen haben, und in der Hoffnung was wir dann auch weiter sehen werden.”
Angst ja, aber eher vor den Bayern
Der Großteil der Konkurrenz in der Bundesliga, wäre vermutlich froh, wenn er die Probleme der Bayern hätte. Auch ohne die Weltmeisterschaftsteilnehmer stand beim Telekom Cup eine Bayernmannschaft auf dem Platz, die in dieser Aufstellung locker um den Titel mitspielen könnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutschen Weltmeister und evtl. Arjen Robben nach der Weltmeisterschaft einen Durchhänger haben könnten ist hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass der FC Bayern aber eine “Seuchensaison” wie nach den großen Turnieren 2006, 2008 und 2010 erleben wird, ist eher gering.
Im Gegensatz zu früheren Jahren ist der Kader des Rekordmeisters qualitativ und quantitativ wesentlich besser zusammengestellt. Ausfälle und Formkrisen können leichter aufgefangen werden. Und als Krönung steht an der Seitenlinie der Perfektionist Guardiola. Am Wochenende dirigierte der Katalane selbst bei einer Drei-Tore-Führung seine Spieler noch gestenreich. Guardiola feilt bereits jetzt an den Details, die im April oder Mai 2015 den Bayern einen Vorteil einbringen könnten.
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