King James vs. Sir Charles – Der König wehrt sich zu Recht!

King James vs. Sir Charles – Der König wehrt sich zu Recht!

Während seiner gesamten bisherigen Karriere wurde LeBron James kritisiert. Legte er mannschaftsdienlich auf einen Mitspieler ab, so warfen ihm die Altstars fehlenden Siegeswillen vor. Nach seinem Wechsel zu den Miami Heat kritisierte die alte Garde „King James“ überspitzt formuliert für die Kollaboration mit dem Feind, der in diesem Fall Dwayne Wade war. Selbst nach der Rückkehr zu den Cleveland Cavaliers und dem triumphalen Gewinn der ersten Meisterschaft für die sportlich so gebeutelte Stadt nach 52 Jahren (LeBrons mittlerweile dritter Titel) reißt die Kritik nicht ab. Vor ein paar Wochen forderte James in den Medien einen Backup für die Position des Aufbauspielers bei den Cavs. Erneut griffen ihn ehemalige NBA-Spieler und heutige TV-Experten, allen voran TNTs Charles Barkley, öffentlich an.

Hatte James bisher immer mit moderaten Aussagen auf Kritik reagiert, und sich oftmals diplomatisch korrekt geäußert, platze dem König jetzt der Kragen. „Charles Barkley ist ein Hater. Warum ist das was er sagt glaubwürdig? Weil er im Fernsehen ist?“, feuerte LeBron ungewöhnlich scharf in Richtung von „Sir Charles“.

 

Wer ist im Recht? Der King oder der Sir?

In Basketballkreisen wird jetzt debattiert. Wer ist im Recht, Lebron James oder Charles Barkley? André Voigt von der Five hatte auf seinen sozialen Kanälen ebenfalls gefragt, auf welcher Seite seine Follower stehen. Ich hatte mich dort bereits geäußert, möchte aber auch an dieser Stelle noch einmal Stellung beziehen. Charles Barkley war mein Lieblingsspieler. Ich mochte die Art, wie der nur 1,98 m große[1], nie komplett austrainierte Power Forward sich gegen die körperlich überlegenen Gegner behaupten konnte. Auch nach der Karriere imponierte mir die offene Art wie Barkley beim Fernsehsender TNT seine Meinung äußerste. „Chuck“ war und ist ein guter Entertainer. Dabei schießt er in seiner Funktion als Experte aber genauso häufig übers Ziel hinaus, wie früher auf und neben dem Spielfeld.

Barkley scheint mehr an seiner titellosen Karriere zu knabbern, als er es zugeben würde. Vieles wirkt wie Frust, den er dann wahlweise an der „neuen“ NBA mit den ganzen Dreiern, den „Nerds“ mit ihren Advanced Metrics, oder eben an einem LeBron auslässt. Er definiert seine Kritik dazu oftmals über andere ehemalige Spieler. Michael Jordan, Kareem Abdul-Jabbar, Magic Johnson oder Larry Bird waren die größten, die hätten XYZ nie gemacht. Barkley selber kann leider schlecht sagen, er habe z.B. nie ein NBA-Finale verloren, denn der ersehnte Titel blieb ihm in seiner aktiven Laufbahn verwehrt. 2010, nachdem LeBron James mit „The Decision“ seinen Wechsel mit Chris Bosh zu Dwayne Wade und den Miami Heat verkündete, sagte Barkley, dass James jetzt nicht mehr auf einer Stufe mit Michael Jordan stehen könnte. Derselbe Barkley, der 1996 den Weg nach Houston antrat, um zusammen mit Hakeem Olajuwon und Clyde Drexler endlich seine erste Meisterschaft feiern zu können. Der einzige Unterschied für mich ist der Hype und die mediale Aufbereitung des Vereinswechsels von James. Ein Kritikpunkt, mit dem sich LeBron auseinandergesetzt hat. James hat mittlerweile nicht nur selbst zugegeben, dass er einen Vereinswechsel anders vollziehen würde. Bei seiner Rückkehr zu den Cavs 2014 wandte sich LeBron mit einem Brief an seine Fans, anstatt mit „Taking my talents to….“

Ein weiteres Thema in diesem Kontext ist die „Banana boat gang“. Chris Paul, Dwayne Wade, Carmelo Anthony und Lebron James verbringen nicht nur gerne ihren Urlaub zusammen, sondern würden auch gerne gemeinsam in einem NBA-Team spielen. Ein absolutes Tabu für die harten Jungs aus den 1980er und 1990er Jahren. Schließlich kam es damals nie vor, dass die sich Gegner außerhalb der Arenen trafen und gemeinsam eine gute Zeit hatten. Oder wie war das mit den Werbespots von McDonalds? Da haben die Jungs nicht zusammen rumgeblödelt? Und spätestens nach Barcelona 1992 waren sich die Mitglieder des Dream Teams zumindest nicht vollkommen fremd. Sicher mochte sich da nicht jeder, aber das ist heute auch noch so. Michael Jordan und Charles Barkley galten aber zwischenzeitlich quasi als beste Freunde. Wenn so etwas in der damaligen Zeit möglich war, wie ist es dann erst in der heutigen Medienwelt? Die verschieden Social Media Plattformen und die Vermarktung durch die NBA und deren Sponsoren erzwingen fast viel mehr Interaktionen als noch vor 20 oder 30 Jahren. Die Spieler sehen sich öfter, lesen und hören viel voneinander, Freundschaften sind da eine logische Konsequenz.

Große Teile dessen, was Sir Charles in den letzten Jahren zum Thema LeBron von sich gegeben hat ist pure Polemik. Eines darf bei der Kritik an Barkley aber auch nicht vergessen werden: Es ist seine Aufgabe zu polarisieren. Chuck soll für Quote sorgen. Das kann im Extremfall sogar so weit gehen, dass er etwas vor der Kamera sagt, was er im privaten Kämmerlein so nicht von sich geben würde. 

 

Argumente sind auf Seiten von LeBron

Ich bin kein Fan von LeBron, aber ich erkenne seine Leistungen an. Speziell die letzten beiden Jahre haben gezeigt, dass er sehr wohl zu den größten Spielern in der Geschichte der NBA gehört. Ob er da auf Platz drei, fünf oder zwei rangiert ist doch vollkommen egal. Zumal ich sowieso ein Problem damit habe, die einzelnen Ären so zu vergleichen, dass ich da zu einer gerechten Reihenfolge komme. Die beiden Finalserien gegen die Warriors waren episch. Zuerst spielen die Cavs ohne Irving und Love, aber trotzdem schnuppern sie am Titel. Und dann 2016 das Comeback nach 1:3-Rückstand. Spätestens nach diesem Titel ist die Kritik an LeBron eher ein Pfeifen im Walde. Was ich an LeBron kritisieren würde ist „The decision“ und die vorgezogene „not one, not two…Meisterfeier“ der Heat im Anschluss. Aber war das die alleinige Idee von King James? Da wird ja auch ein Pat Riley mit involviert gewesen sein, und der kommt ja aus der von Chuck so geliebten, guten alten Zeit. Verglichen mit dem Strafenregister von Sir Charles ist die Vita von LeBron ein blütenweißer Lebenslauf.

Natürlich kann man hinterfragen, ob ein LeBron öffentlich Verstärkungen für sein Team fordern sollte, oder dem Besitzer verklausuliert nahelegt, doch noch etwas mehr in den Kader zu investieren. Allerdings ist LeBron auch der Hauptgrund dafür, dass die Cavs überhaupt eine Chance auf den Titel haben. Früher hat ein Barkley vielleicht mit einem Ausraster auf dem Parkett oder ein paar schlechten Spielen in Serie seinen Vereinsboss unter Druck gesetzt. LeBron wählt heute den artikulierten Weg über die Medien. Auch das klingt eher nach einer Evolution, als nach einem wirklichen Problem. Und wer glaubt denn ernsthaft, dass milliardenschwere Geschäftsleute wie Dan Gilbert oder ‎Micky Arison sich bereitwillig „Geld aus der Tasche ziehen lassen“, wenn sie am Ende nicht doch einen Ertrag haben?

Die Freundschaft zu Dwayne Wade, Chris Paul und Carmelo Anthony ist doch auch nur zu verständlich. Alle kamen zur gleichen Zeit in die NBA. Damit begannen sie alle zu einem ähnlichen Zeitpunkt in ihrem Leben einen neuen Lebensabschnitt. Wo entstehen denn im „echten Leben“ Freundschaften, wenn nicht z.B. zu Beginn der Schulzeit, der Ausbildung oder des Studiums? Und wer hat nicht mal mit seinen Kumpels rumgeblödelt „Wir machen dann zusammen eine Männer-WG“, oder „wir gründen unsere eigene Firma“. Der Unterschied zu den Jungs vom Bananenboot ist, dass die auch in der Lage wären, so ein Projekt umzusetzen. Früher waren die Regeln für Free Agents restriktiver, das ist sicherlich ein Unterschied. Die Freiheiten von heute hatten die Spieler der älteren Generation nicht. Aber das macht einen Vergleich zu den Zeiten von Magic, Larry und Michael dann auch quasi unmöglich.

King James hat ja selber das Ziel ausgegeben, der erste Sportler sein zu wollen, der  Milliardär wird. Ein Pionier zu sein bedeutet immer auch Grenzen zu überwinden. Im Fall von LeBron sind das sportliche, wirtschaftliche, rassistische und kulturelle Grenzen. Damit eckt er an, weil die bestehende Elite einen solchen Werdegang noch nicht kennt. Das passt beispielsweise einem Phil Jackson nicht. Und gerade die letzten Jahre in den USA zeigen, dass das gesamte politische Klima trotz aller Offenheit, gegenüber der schwarzen Bevölkerung noch immer voller Vorurteile ist. Die treffen auch LeBron, oder vielleicht sogar noch mehr als den einfachen „African American“ auf der Straße.

Ich finde es gut, wenn LeBron sich verteidigt und deutlich macht, dass er sich wenig vorzuwerfen hat, was die teils massive Kritik an seiner Person rechtfertigen würde. Ich hoffe aber auch, dass er sich in Zukunft nicht zu jedem Mist äußert.

„Let your game do the talk!“

[1] (inoffizielle Angaben weisen Barkley sogar als noch kleiner aus)

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