Running New York – Brooklyn Half Marathon
Ganz oben auf meiner persönlichen „Bucket List“ für Läufe steht der New York Marathon. Einmal die 42,195 Kilometer durch die fünf Stadtteile der Millionenstadt laufen. Allerdings war ich in den letzten Jahren gesundheitlich und zeitlich nicht in der Lage für einen Marathon zu trainieren. Zufälligerweise ergab sich aber die Gelegenheit einen Halbmarathon zu laufen. Beim Brooklyn Half Marathon lernte ich zumindest einen Stadtteil New Yorks näher kennen.
Zu früh
Es ist 4:30 Uhr. 4:30! VIER UHR DREISSIG!!!! „Was soll das eigentlich“, frage ich mich innerlich selbst, während meine Beine langsam das Bett verlassen. Der Rest des Körpers schleppt sich irgendwie hinterher. Gestern Abend war die Idee einfach halb fünf aufzustehen, und dann zu schauen, ob ich wirklich um 7:00 Uhr morgens einen Halbmarathon laufen möchte. Die Frage kann ich eindeutig mit „Nein“ beantworten. Aber irgendwie laufe ich im Standby-Modus trotzdem. Meine Laufsachen hatte ich mir bereitgelegt. Der Kleiderbeutel war auch, soweit möglich, bereits abgabefertig gepackt. So wanke ich um 5 Uhr in Richtung Fahrstuhl. Vorteil der frühen Uhrzeit sind fehlende Wartezeiten am Nadelöhr des Hotelverkehrs.
So stehe ich wenig später auf der 8th Avenue. Die Stadt die niemals schläft machte doch ein wenig den Eindruck, als würde sie kurz durchatmen. Auch New York scheint am Samstagmorgen etwas Ruhe zu benötigen. Glücklicherweise haben die Kaffee- und Donutverkäufer an den Ecken keine Pause. Ich decke mich mit Heißgetränk und zwei glasierten Leckereien ein.
In der U-Bahn merke ich schnell, dass ich keine Probleme haben werde, den Start zu finden. Es sind doch einige Läufer auf den Beinen, deutlich zu erkennen, an ihren durchsichtigen Kleiderbeuteln. Die Subway fährt ein, und ich sitze neben Nick, einem Läufer aus New York. Da uns beiden irgendwie langweilig ist, kommen wir ins Gespräch. Er läuft seinen ersten Marathon. Zeitlich möchte er so 10 Minuten pro Meile als Tempo angehen. Ich rechne erst einmal kurz und merke, dass er über vier Stunden benötigen wird. „You’re gonna do it“, gebe ich ihm als Motivation mit auf den Weg. Zwanzig Minuten und einige Laufweisheiten später fährt die U-Bahn in der Station „Grand Army Plaza“ ein. Von hier aus ist es noch ein kleiner Fußweg bis vor das Brooklyn Museum. Dort befindet sich der Start.
Singen vor dem Start
Auch der Brooklyn Half Marathon ist kein kleiner Lauf. Hunderte andere Mitstreiter bewegen sich durch den Triumphbogen auf dem Grand Army Plaza. Den Wagen für meine Kleiderbeutelabgabe finde ich schnell. Durch den Sicherheitscheck komme ich auch gut. Trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl, dass diese Maßnahme bei einem Lauf überhaupt notwendig ist. Die Erinnerungen an das Attentat beim Boston Marathon vor ein paar Jahren verdränge ich schnell.
Die Organisation des Laufes ist top! Hunderte, wirklich hunderte Toilettenhäuschen stehen direkt an den Startblöcken. Auch hier muss ich wieder kurz rechnen, welche Meilenzeit ich denn laufen möchte. Ich sortiere mich passend ein. Da noch genug Zeit ist, mache ich ein paar Fotos von der Umgebung. Außerdem fotografiert ein mexikanischer Teilnehmer erst mich, und revanchiere ich mich. So geht die Zeit bis zehn vor sieben schnell rum.
Jetzt beginnt der Startprozess. Erst erklärt der Organisator, dass dies wohl der erste Brooklyn Half Marathon seit Jahrzehnten sei. Außerdem hätte ihn die Organisation in den letzten Jahren sehr viel Zeit gekostet. Danach folgt die Nationalhymne. Gesungen von einer Teilnehmerin, die über eine Opernausbildung verfügt. Es ist wie immer viel amerikanischer Pathos, aber trotzdem sehr schön. Perfekt in Stimmung gebracht, bekommen wir pünktlich um sieben Uhr das „Go“ per Startschuss.
Stimmung kurz nach sieben
Am Anfang des Rennens geht es in Richtung Osten auf dem Eastern Parkway. Trotz der frühen Stunde ist hier direkt am Start jede Menge los. Zahlreiche Angehörige feuern ihre ganz persönlichen Teilnehmer lautstark an. Aber auch das Feld insgesamt bekommt hier einiges zu hören. Nach zwei Kilometern geht es auf der anderen Seite des Eastern Parkway zurück, und so vergehen die ersten Minuten des Laufes sehr kurzweilig.
Jetzt biegen wir nach links ab. Einen Kilometer laufen wir auf der Washington Avenue am botanischen Garten entlang, dann nach kurzem Schlenker weiter auf der Oceans Avenue nach Süden. Hier ist deutlich weniger los, zumal auf einer Seite erst die Gartenanlage, und danach bereits der Prospect Park liegen. Im Park endet nachher der Brooklyn Half Marathon.
Runter und rauf
Noch bin ich gut unterwegs. Jedoch senkt sich die Straße bei Kilometer sieben unter einem Freeway hindurch. Und wo es runter geht, da geht es auch wieder rauf. Die erste Steigung des Tages kann ich noch im Fünferschnitt laufen. Aber bereits jetzt merke ich, dass die Kombination aus Jetlag, früher Stunde und einem eher durchschnittlichen Trainingsstand irgendwann Folgen haben wird.
Leider hilft die Strecke nicht wirklich. Der Ocean Parkway, auf dem jetzt das Feld entlangläuft, ist zwar flach, aber auch lang und gerade. So ziehen sich die Kilometer acht bis elf doch sehr dahin. Immerhin freue ich mich, dass ich jetzt bereits die Hälfte des Laufes geschafft habe. Problematisch ist nur, dass die Kilometer 12-16 auf genau jenem flachen, langen und langweiligen Ocean Parkway wieder zurückführen.
Ich lenke mich etwas dadurch ab, dass ich mich bei den Polizisten durch bedanke. An jeder Kreuzung ist die Durchfahrt für andere Fahrzeuge mit zwei Polizeiwagen versperrt. Die Beamten stehen vor ihren Fahrzeugen und klatschen und feuern die Läufer an. Ich winke oder bedanke mich mit dem Daumen nach oben oder ebenfalls durch Klatschen.
Statt unter dem Freeway durchzulaufen, führt die Strecke jetzt nach oben. Wir laufen auf eben jenem Freeway. Mich kostet die Fortbewegung mittlerweile doch jede Menge Kraft. Auch die Koffeingels haben mich nicht wirklich schneller gemacht. Meine Zeiten werden immer langsamer, und das schwerste Stück des Brooklyn Half Marathon folgt noch.
Walken im Park
Am Machate Circle geht es wieder nach Osten und dann rein in den Prospect Park. Auf dem East Drive umlaufen wir den Prospect Park Lake. Wenigstens sind hier wieder einige Zuschauer am Streckenrand. Aber der Regen, der vor knapp einer halben Stunde eingesetzt hat, macht das Laufen wirklich nicht angenehmer.
Bei Kilometer 18 beginnt die von mir gefürchtete Steigung. Gefühlt bewege ich mich nur noch gehend vorwärts. Nach dem Rennen sehe ich, dass ich hier mit etwas über sechs Minuten pro Kilometer bewege. Während des Laufens kommt mir das „Tempo“ deutlich langsamer vor. Irgendwann bin ich dann oben auf dem kleinen Hügel, der sich wie ein Berg angefühlt hat.
Der letzte Kilometer neigt sich dem Ziel entgegen. Ich beschleunige und lasse mir noch einmal durch den Kopf gehen, was ich in den letzten, fast zwei Stunden gemacht habe. Ein Rennen durch New York. Morgens vor neun. Stolz kommt hoch, obwohl ich die angestrebte Zeit unter 1:50 reiße. Aber was solls.
Stilechter Bagel
Im Ziel angekommen besorge ich mit schnell meinen Kleiderbeutel. Raus aus den nassen Sachen – soweit möglich – und schnell aufwärmen. Mein Zittererlebnis nach dem Lichterlauf Channel wollte ich nicht wiederholen. Danach gehe ich zur Zielverpflegung. Getränke gibt es ausreichend, aber das Essen ist limitiert. Ich ergattere mir eine zweite Banane, und setzte mich dann auf meine Warmhaltefolie auf den Rasen. Dort schmiere ich mir einen Bagel mit Frischkäse und der Marmelade eines Sponsors.
Nach einem Foto mit Medaille um den Hals, mache ich mich langsam auf den Weg zurück zur U-Bahn. Am Grand Army Plaza ist mittlerweile ein Wochenmarkt aufgebaut worden. Statt dunkel und ruhig ist der Platz jetzt belebt und vom emsigen Marktreiben erfüllt. Als ich in der Nähe meines Hotels aus der Subway steige, freue ich mich auf mein Mittagessen. Ich finde, einen Burger habe ich mir verdient.
Wo gibt es Burger?
Überraschenderweise gestaltet sich die Suche danach aber schwierig. Zu den üblichen Fastfoodketten wie McDonalds oder Burger King möchte ich nicht. Zwei Straßen neben meinem Hotel gibt es einen Laden mit dem passenden Namen „Essen“. Dort werden qualitativ hochwertige Burger frisch zubereitet. Allerdings erst ab 12:00 Uhr, wie mir der junge Mann hinter dem Tresen mitteilt. So warte ich schließlich 15 Minuten vor einem Laden der Kette Five Guys.
Als die Türen öffnen, bin ich der erste Gast an diesem Tag. Nachdem ich das Konzept mit den frei wählbaren Zutaten verstanden habe, baue ich mir zwei ordentliche Burger zusammen. Mit dem Essen in der Hand, meiner Mütze vom Brooklyn Half Marathon auf dem Kopf und jeder Menge Appetit im Magen, kann ich endlich ins Hotel gehen. Das Essen ist hervorragend und dann mache ich sogar ein kleines Mittagsschläfchen. Am Abend bin ich schließlich mit Daniel Theis verabredet. Die Celtics spielen nebenan im Madison Square Garden gegen die New York Knicks.
Laufen in New York und NBA-Basketball im MSG – Trotz der Anstrengung war es ein perfekter Samstag!
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