Die Top 11 der WM-Spiele mit Verlängerung und Elfmeterschießen – Plätze 11-8
Am Samstag beginnt bei der WM 2014 die K.O.-Runde. Das heißt nicht mehr nur 90 Minuten plus Nachspielzeit, sondern oftmals auch Dramatik und Tragik in der Verlängerung oder im Elfmeterschießen. In drei Teilen werfen wir einen Blick auf die besten K.O. Spiele der WM-Geschichte, die nicht in der regulären Spielzeit entschieden wurden. Da es sich um die Fußball-WM handelt, ist es ausnahmsweise eine Top 11.
In Teil eins betrachten wir holländische Niederlagen, ein sowjetisch-belgisches Offensivspektakel, und einen alten Afrikaner, der gerne an der Eckfahne tanzt – die Plätze 11-8.
Platz 11 – Triumph für die argentinische Junta
WM 1978 in Argentinien Finale
Niederlande – Argentinien 1:3 n.V. (1:1, 0:1)
Im WM Finale 1978 standen sich zwei Mannschaften gegenüber, die in diesem einen Spiel ein zuvor verlorenes Finale wieder gut machen wollten. Die Argentinier hatten 1930, bei der ersten Weltmeisterschaft überhaupt, das Finale gegen Uruguay mit 2:4 verloren. Erst 48 Jahre später konnten „La albiceleste[1]“ wieder ein Endspiel erreichen. Jetzt sollte der Titel im eigenen Land her.
Die Wunden bei der niederländischen Mannschaft waren dagegen noch frisch. Vier Jahre zuvor hatten die Holländer in München gegen Deutschland das WM-Finale verloren, obwohl die Mannschaft in den Augen vieler Experten das beste Team der WM 1974 war. Selbst ohne ihren genialen Regisseur Johan Cruyff hatten die Niederländer 1978 im zweiten WM-Turnier hintereinander das Finale erreicht. Auch für die „Elftal“ ging es also um den allerersten WM-Titel.
Dabei schien sich die Geschichte vom Finale ’74 für die Holländer zu wiederholen. Trotz eigener Überlegenheit lag das Team, das von der österreichischen Trainerlegende Ernst Happel betreut wurde, zehn Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit mit 0:1 hinten. Aber, im Gegensatz zu 1974, dieses Mal gelang den Holländer der Ausgleich in der 82. Minute durch Dick Nanninga. Und mehr noch. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit hatte Rob Rensenbrink die große Chance zum Siegtreffer. Aber der Stürmer vom RSC Anderlecht traf nur den Pfosten, und das Spiel ging in die Verlängerung.
Unmittelbar vor Ablauf der ersten 15 Minuten setzte dann der argentinische Stürmer Mario Kempes zu einem Solo an. Den ersten Schuss konnte Jan Jongbloed im Tor der Holländer noch parieren, den Nachschuss schob Kempes aber ins Tor. Die Entscheidung im Finale von Buenos Aires fiel dann in der 115. Minute durch einen Treffer von Bertoni, wieder nach einem Solo von Mario Kempes.
Holland ist immer noch immer ohne Weltmeistertitel (siehe Platz 8), die Argentinier wiederholten ihren Triumph acht Jahre später mit Diego Maradona in Mexiko.
Das Besondere an diesem Spiel sind aber auch die Umstände rund um die Weltmeisterschaft 1978. Schon während der WM gab es Gerüchte über Einflussnahme der argentinischen Militärdiktatur auf die Spiele. Zumindest das Spiel gegen Peru (6:0 für Argentinien) steht unter dem Verdacht, durch Getreidelieferungen und zig Millionen Dollar erkauft worden zu sein. Selbst einige Spieler der argentinischen Weltmeistermannschaft sagten später, dass die WM unter den gegebenen politischen Verhältnissen in Argentinien, nicht hätte stattfinden dürfen.
Platz 10 – Die Roger Miller-Show
WM 1990 in Italien Achtelfinale
Kamerun – Kolumbien 2:1 n.V. (0:0, 0:0)
Im Achtelfinale der WM 1990 in Italien kam es zum Aufeinandertreffen von zwei der schillerndsten Paradiesvögel der Fußballgeschichte. Bei Kolumbien stand René Higuita im Tor, der u.a. wegen solcher Aktionen (Link Englandspiel mit Hacken) den Spitznamen „El Loco“ – der Verrückte, bekommen hatte. Der Mann mit der auffälligen Haarpracht war außerdem für seine Ausflüge außerhalb des Strafraums bekannt.
Weniger durch Haarpracht, als durch Leistung, machte der andere wichtige Protagonist dieses Achtelfinals auf sich aufmerksam. Erstaunlich war dabei allerdings, dass Roger Miller(teilweise auch Milla genannt) bei der WM 1990 bereit 38 Jahre alt war, und seine Karriere eigentlich schon beendet hatte. Doch er ließ sich überreden für die Weltmeisterschaft noch einmal aus dem Ruhestand zurückzukehren und für die „unbezwingbaren Löwen“ auf Torejagd zu gehen. So hatte Miller mit zwei Toren beim Sieg gegen Rumänien entscheidenden Anteil daran, dass sich Kamerun in einer Vorrundengruppe mit Argentinien für die K.O.-Runde qualifizieren konnte. Trotz des fortgeschrittenen Alters ließ es sich Miller nicht nehmen, seine Tore mit einem Tänzchen an der Eckfahne zu feiern, und entwickelte sich damit zu einem der Shootingstars des Turniers.
Das Achtelfinale gegen Kolumbien bot aber in der regulären Spielzeit noch keine Gelegenheit für ein Freudentänzchen. Ein eher zähes Spiel plätscherte vor den 50.026 Zuschauern im Stadion von Neapel dahin. Das änderte sich erst mit Beginn der zweiten Verlängerung.
Nach einer tollen Einzelleistung traf Miller zur Führung für Kamerun. Torwart Higuita, der in seiner Karriere auch drei Tore erzielen konnte, wollte sein Team vielleicht zum Ausgleich antreiben, als er wenig später außerhalb des Strafraums zum Dribbling ansetzte. Doch der „alte“ Roger Miller war gedankenschnell, nahm dem kolumbianischen Schlussmann den Ball ab, und schob das Leder zur Vorentscheidung ins verwaiste Tor. Zum zweiten Mal konnten die Zuschauer den hüftschwingenden Miller und seine Mannschaftskameraden beim Jubeln bewundern.
Die Kolumbianer kamen noch zum Anschlusstreffer, aber am Ende setze sich Kamerun mit 2:1 nach Verlängerung durch, und erreichte als erste afrikanische Mannschaft die Runde der letzten Acht. Im Viertelfinale standen die „unbezwingbaren Löwen“ kurz vor der nächsten Sensation, verloren dann aber mit 2:3 n.V. gegen England. Roger Miller wurde 1990 zu Afrikas Fußballer des Jahres gewählt. Vier Jahre später in den USA nahm er noch einmal mit seinem Land an einer Weltmeisterschaft teil, und wurde der älteste Torschütze in der WM-Geschichte.
Platz 9 – Zwei goldene Generationen ohne Titel
WM 1986 in Mexiko Achtelfinale
Sowjetunion – Belgien 3:4 n.V. (2:2, 1:0)
Sowohl Belgien, als auch die Sowjetunion hofften 1986 endlich auf den internationalen Durchbruch bei der Weltmeisterschaft in Mexiko. Beide Mannschaften hatten große Talente in ihren Reihen, und galten in ihren Heimatländern als goldene Generation. Auf Seiten der Belgier waren Jean-Marie Pfaff, Eric Gerets, Enzo Scifo und Jan Ceulemans die Säulen der Mannschaft. Ein Teil des Teams hatte 1980 das Finale der Europameisterschaft gegen Deutschland verloren, und hoffte jetzt auf den ersten Titel mit dem Nationalteam.
Auch auf sowjetischer Seite standen mit Rinat Dassajew Oleh Kusnezow, Sergei Aleinikow, und Igor Belanow hervorragende Spieler auf dem Platz. Trainer Walerij Lobanowskyj galt zudem als Trainerlegende. Auch die Sowjetunion wartete auf den ersten großen Titel. Spätestens seit dem 6:0 Erfolg gegen Ungarn in der Vorrundengruppe, galt die „Sbornaja“ als Mitfavorit auf den WM-Titel ´86.
Vor 32.000 Zuschauern im Stadion von Léon entwickelte sich ein technisch hochklassiges und bemerkenswert faires Spiel (eine gelbe Karte). Die Sowjets gingen durch „Europas Fußballer des Jahres 1986“, Igor Belavow, zweimal in Führung, Belgien konnte aber jeweils ausgleichen.
In der Verlängerung schien nach einem Kopfballtor von Stéphane Demol und einem Treffer von Nico Claesen das Spiel zugunsten der Belgier entschieden. Doch Belanow verkürzte noch einmal mit seinem dritten Tor per Foulelfmeter. In den Schlussminuten der Verlängerung musste der damalige Bayerntorwart Pfaff sein gesamtes Können aufbieten, um den Vorsprung über die Zeit zu retten, doch es reichte für Belgien.
Die Sowjetunion war damit überraschend aus dem Turnier ausgeschieden. Für die Belgier ging es dagegen noch weiter im Turnier. Erst im Halbfinale unterlagen sie dem späteren Weltmeister Argentinien mit 0:2. Nach einem 2:4 n.V. im abschließenden Spiel um Platz drei, wurden die „Roten Teufel“ schließlich Vierter der WM 1986.
Platz 8 – Der würdige Sieger eines unwürdigen Schauspiels
WM 2010 in Südafrika Finale
Niederlande – Spanien 0:1 n. V.
Eines stand vor dem WM Finale 2010 bereits fest. Es würde eine Mannschaft Weltmeister werden, die noch nie zuvor den Titel gewinnen konnte. Die Niederlande standen in ihrem dritten Weltmeisterschaftsendspiel, für die Spanier war das Finale eine Premiere.
Im Gegensatz zu den ersten beiden Finalteilnahmen, spielten die Holländer aber nicht mehr den bekannten „Voetbal totaal“, sondern hatten sich einer eher defensiveren Ausrichtung verschrieben.
Auf der Gegenseite standen die Spanier, die in den Vereinswettbewerben (mit dem FC Barcelona) und auch mit der Nationalmannschaft (Europameister 2008) den Fußball in den vorherigen Jahren mit ihrem Kurzpassspiel dominiert hatten.
Das Finale in Johannesburg konnten die Iberer in der Anfangsphase auch mit ihrem Tiki-Taka bestimmen. Zu mehr als einer Kopfballchance durch Ramos reichte es aber nicht. Nach den ersten 15 Minuten bekamen die Holländer das Spiel besser in den Griff. Durch Fouls hart an der Grenze zur Körperverletzung, unterbanden die Spieler von Trainer Bert van Marwijk die Kombinationen der Spanier. Konnte man dabei die gelbe Karte gegen Marc van Bommel nach einem Foul gegen Andres Iniesta noch gerade vertreten, war nach knapp eine halben Stunde das erträgliche Maß eindeutig überschritten.
Nigel de Jong sprang seinem Gegenspieler Xabi Alonso in Kong-Fu-Manier entgegen und trat dem Mittelfeldspieler gegen den Brustkorb. Die Szene, die eher an einen Bruce-Lee-Film erinnerte, wurde vom englischen Schiedsrichter Howard Webb aber nur mit einer gelben Karte bestraft.
Die Spanier wehrten sich mit zunehmender Spieldauer gegen die körperbetonte Spielweise, und zur Halbzeit hatten insgesamt fünf Akteure beider Mannschaften eine Verwarnung erhalten. Ein wirklicher Spielfluss kam nicht mehr zustande, und so ging es ohne große Torszenen mit einem 0:0 in die Pause.
Auch in der zweiten Halbzeit hatten Torchancen erst einmal Seltenheitswert. Vor allem die Niederlande waren im Angriff bisher vollkommen harmlos geblieben. Das änderte sich dann aber nach 62 Minuten schlagartig. Wesley Sneidjer schickte Arjen Robben mit einem Zauberpass auf die Reise Richtung spanisches Tor. Der flinke Bayernspieler stand vollkommen alleine vor Iker Casillas. Der spanische Torwart blieb aber cool, wartete lange, und parierte schließlich den Schuss von Robben mit dem Fuß.
Das Spiel wurde weiterhin nicht besser, die Chancen schon. Villa und Ramos auf Seiten der Spanier, und wieder Robben hatten gute Gelegenheiten für das erste Tor, vergaben aber allesamt. Weiterhin teilten beide Teams munter aus, und Van Bommel (gelb-rot) und Iniesta (Rot) hätten in einer Szene gemeinsam vom Platz fliegen müssen. Schiedsrichter Webb behielt seine großzügige Linie aber bei, und so ging es mit elf gegen elf in die Verlängerung.
Diesmal lag Webb nicht nur mit der Kartenauswahl, sondern mit der kompletten Beurteilung eines Zweikampfes daneben. John Heitinga hatte Xavi im Strafraum der Niederlande zu Fall gebracht, aber der fällige Elfmeterpfiff blieb aus. Cesc Fabregas und Joris Mathijsen konnten gute Möglichkeiten zur Führung nicht nutzen, und so blieb auch die erste Hälfte der Verlängerung torlos.
Kurze Zeit später hatte Howard Webb dann doch seine rote Karte gefunden, und schickte Heitinga mit gelb-rot vom Feld. Verglichen mit den Fouls der vorangegangenen 109 Minuten war das Halten gegen Iniesta eher harmlos und nur taktischer Natur.
Mit einem Spieler mehr zogen die Spanier in den verbleibenden Minuten ein Powerplay auf und fanden vier Minuten vor dem Ende die entscheidende Lücke im holländischen Abwehrverbund. Iniesta traf zum 1:0, und kurze Zeit später reckte der spanische Kapitän Casillas den WM-Pokal in den südafrikanischen Nachthimmel.
Hatten die Spanier in den Jahren zuvor oft mit tollem Offensivfußball ihre Erfolge gefeiert, so war dieser Sieg doch eher das Überleben in einer gnadenlosen und unansehnlichen Fußballschlacht. Selbst der großzügige Webb hatte dreizehn gelbe und eine gelb-rote Karte verteilt.
Die Niederlande hatten auch ihr drittes WM-Endspiel verloren. Im Gegensatz zu den beiden Finalniederlagen 1974 und 1978, konnten sie aber nicht für sich beanspruchen den attraktiveren und spielerisch hochwertigeren Fußball gespielt zu haben. Durch ihr rücksichtsloses Spiel hatten sie den Stil des Finales 2010 bestimmt, und es zu einem der unansehnlichen Finalspiele aller Zeiten gemacht.
Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Weltmeisterschaft_1978
http://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Weltmeisterschaft_1986
http://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Weltmeisterschaft_1990
http://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Weltmeisterschaft_2010
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