Großes Panorama bei den kleinen Yankees
Für unseren Familienurlaub im Sommer hatte ich mir fest vorgenommen, den anderen Mitreisenden ein amerikanisches Sportereignis zu zeigen. Allerdings gestaltet sich dieses Unterfangen in den Sommermonaten Juli und August doch etwas schwierig. Der Spielbetrieb in der NBA, NFL und NHL ruht zu dieser Jahreszeit. Auch der Großteil der Sportarten, die am College in größerem Rahmen ausgeübt werden, befindet sich in einer Sommerpause. Lediglich im Baseball sind Trockenheit und Wärme eher förderlich. Doch auch die drei MLB-Standorte auf unserer Reise vereinfachten den Besuch eines Spiels nicht. Nur die New York Yankees hatte ihre Partien so terminiert, dass wir theoretisch einen Nachmittag oder Abend im Yankee-Stadium hätten verbringen können. Theoretisch deshalb, weil ich praktisch keine Lust hatte pro Person mindestens 75 Dollar zu bezahlen. Zudem lagen die Plätze dann noch immer im vierten Oberrang beim 85. von 162 Saisonspielen.
So begann ich mich relativ frühzeitig nach kostengünstigen Alternativen umzusehen. Viele Profiteams in Nordamerika unterhalten sogenannte “Farmteams”. Zweit- oder drittklassige Mannschaften, bei denen junge Spieler erste Erfahrungen im Profibereich sammeln und sich entwickeln sollen. Oder ältere Akteure werden nach Verletzungen ins Zweitteam abgestellt, um sich wieder in Form zu bringen. Praktischerweise unterhalten die großen Yankees direkt in New York ein eigenes Farmteam. Die Staten Island Yankees auf der gleichnamigen Insel, die zugleich einer der fünf New Yorker Stadteile ist, hatten passenderweise auch an einem Freitagabend ein Heimspiel.
Hafenrundfahrt für lau
Unsere Anreise begannen wir vom Hotel aus mit der U-Bahn, die wir bis an die Spitze Manhattans nutzen (Station Bowling Green). Ein kurzer Fußweg führte uns zum Whitehall Terminal. Hier legen die Fähren der Staten Island Ferry an und ab. Dieses Verkehrsmittel gehört zu den wenigen Einrichtungen in New York die vollkommen kostenlos sind. Dabei könnte argumentiert werden, dass die Fahrten mit den Fährschiffen im Grunde sowieso unbezahlbar sind. Auf der Hinfahrt genossen wir in der langsam absinkenden Sonne den Ausblick auf Ellis Island und die Freiheitsstatue.
Nach der Ankunft auf Staten Island erreichten wir das Stadion Richmond County Bank Ballpark nach einem kurzen Fußmarsch. Die Heimstätte der Staten Island Yankees liegt lediglich knapp 700 Meter neben dem Anlegeterminal. Da wir zu den ersten 1000 Zuschauern gehörten (Spoiler Alert: es war nicht ausverkauft!) wurden wir jeweils mit einer Mütze beglückt. Bei 30° nicht gerade die passend Kopfbedeckung, aber zumindest ein nettes kleines Souvenir.
Eine Spur langsamer & eine Nummer kleiner
Wie bereits erwähnt sind die Spieler in den Minor Leagues nicht so gut, wie die hochbezahlten Kollegen in der Major League Baseball. Für einen ersten Einblick in den Sport ist es aber nicht von Nachteil, wenn die Fastballs “nur” mit 92 statt mit 96 Meilen pro Stunde durch die Luft fliegen. Außerdem ermöglichten die kleineren Fehler der Akteure ein abwechslungsreiches und interessantes Spiel. New York siegte am Ende mit 7:2, und wir bekamen sogar einen Home-Run zu sehen.
Auch das Rahmenprogramm ist eine Nummer kleiner, als in den komplett durchorganisierten großen Sportligen der USA. Dennoch gab es auch auf Staten Island Cheerleader, in jeder Pause eine Animation oder die Begrüßung irgendeines Veteranen sowie diverse Spiele für und mit den Zuschauern. Das Highlight des Abends war aber die gesamte Szenerie
Der Ausblick ist das Ziel
In einem Punkt kann garantiert kein Spiel im Yankee Stadium mit dem Richmond County Bank Ballpark mithalten. Der Ausblick ist atemberaubend. Links von unseren Plätzen lagen der überdachte Bereich des Stadions und ein Teil der Tribünen. Daneben folgte das Spielfeld mit einer Anzeigetafel, die in Europa so manchem Erstligisten gut zu Gesicht stünde. Schließlich öffnete ein Zaun nebst den obligatorischen Fahnenmasten den Blick auf die Hafenbucht von New York. Auf einer Seite war die Freiheitsstatue zu erkennen. Mittig lag Downtown Manhattan mit den Glasfronten der Wolkenkratzer. Rechts neben ein paar Bäumen am Stadion, konnten wir sogar noch die Brooklyn Bridge erkennen. Als wäre das Standbild dieses Panaromas nicht schon beeindruckend genug, schob sich immer wieder ein Schiff von durch das Blickfeld. Mehr zufällig erkannten wir dabei in einem Fall die Queen Mary 2, deren klassisches Design perfekt in dieses lebende Gemälde passte. So interessant der Sport war, die ständig wechselnden Farb- und Lichtspiele des Wassers, der Gebäude und der Fahrzeuge dazwischen, lenkten immer wieder vom aktiven Geschehen ab. Den krönenden Abschluss bildete dann die Rückfahrt auf der Staten Island Ferry mit der illuminierten Lady Liberty und hell erleuchteten Häusern am Ufer.
Ich weiß aus eigener Erfahrung wie einprägsam eine Begegnung in den besten Ligen der Welt mit den jeweils besten Akteuren einer Sportart sein kann, aber an diesem Abend war ein zweitklassiges Baseballmatch die erstklassige Bühne für eine unvergessliche Erinnerung.
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