Kaum Glanz, wenig Gloria – Der Madison Square Garden
Wembley, Fenway Park, Camp Nou – Diese Namen wecken Erinnerungen und Erwartungen bei Fans in aller Welt. Diese Sportstätten sind genauso bekannt, wie die Sportler, die in Ihnen Höchstleistungen verbringen. Eine dieser Arenen ist der Madison Square Garden in New York. Ich hatte in diesem Jahr die Chance den MSG selbst zu erleben. Wie besonders ist „Die berühmteste Arena der Welt?“
Eröffnung Ende der 1960er
Das heutige Gebäude des Madison Square Garden wurde am 11. Februar 1968 eröffnet. Seitdem wurde es zweimal renoviert. Zuletzt investierte die Betreibergesellschaft MSG Entertainment von 2011-2013 eine Milliarde Dollar in die Renovierung. Dabei wurden u.a. neue Bildschirme, eine verbesserte Infrastruktur fürs WLAN und zusätzliche Verpflegungsstationen installiert. Neben den Videoanzeigen sind die größte sichtbare Veränderung die beiden Brücken, die direkt unter dem Hallendach hängen. Dort befinden sich auch einige der Presseplätze, die interessante Vogelperspektiven auf das Geschehen unten am Hallenboden bieten,
Der erste Eindruck
Von außen hat sich der Garden kaum verändert, seit ich das Gebäude in den 90ern erstmals auf dem Bildschirm gesehen habe. LED-Lichter ermöglichen eine Beleuchtung, die sich dem aktuellen Event anpasst. So leuchten die Lichter bei Spielen der New York Knicks in orange und blau, während bei den Rangers rot und blau gewählt werden. Der offizielle Haupteingang ist offen gestaltet. Der Eingangsbereich wirkt einladend hell und modern. Nach den Sicherheitskontrollen können sich Fans in mehreren Shops mit Trikots, Caps und vielen anderen Fanartikeln versorgen. Das Alter von 50 Jahren merkt ein Besucher in diesem Bereich der Arena wirklich nicht.
Die öffentlichen Treppenhäuser sind mit Rolltreppen ausgestattet und die großen Glasfenster geben den Blick auf die umgebenden Hochhäuser Manhattans frei. Der Umlauf im unteren Bereich wirkte auch sehr sauber und aufgeräumt. Überall sind Einkaufsmöglichkeiten vorhanden und auch die mittleren Ebenen des MSG sind durchaus einladend.
Etwas gewöhnungsbedürftig sind dagegen die beiden Bridges. Ich war verwundert, dass ausgerechnet dieser Teil der jüngste der ganzen Arena sein soll. Der Teppichboden wirkt arg abgenutzt, die Sitze erinnern eher an die 70er Jahre und sind wenig modern und modisch gestaltet. Der Funke, mit dem der Madison Square Garden bei vielen Gästen ein begeisterndes Feuer für die Veranstaltungen entfacht, er will bei mir in luftiger Höhe nicht recht überspringen.
Das Innenleben
Wie bei vielen Arenen liegt der Presseeingang an der Seite des MSGs. Selbst in neu gebauten Hallen ist dieser Bereich weitgehend zweckmäßig gestaltet. Eine kurze Sicherheitskontrolle, eine Rezeption für die Ausgabe der Akkreditierungen. Die Gänge und Umkleidekabinen sind sehr schlicht gestaltet. Wer einmal die Umkleide der Denver Nuggets im Pepsi Center gesehen hat, für den wirken die Kabinen im Madison Square Garden sehr spartanisch.
Mit dem Fahrstuhl geht es auf die eben beschrieben Bridge. Bis auf Fotoplätze am Spielfeldrand und einige wenige Sitzgelegenheiten hinter den Anschreibetischen befinden sich die Presseplätze in der ersten Reihe der Brücken unter dem Hallendach. Die hochgelegene Perspektive ermöglicht einen unverbauten Blick auf alles, was auf und direkt neben dem Spielfeld passiert.
Technisch sind die Plätze vergleichsweise gut ausgestattet. Es gibt je eine Steckdose und zwischen zwei Plätzen kleine Bildschirme, auf denen der MSG-Sender läuft. Durch den kurzen Zeitversatz können wichtige Szenen noch einmal im Fernsehbild überprüft werden.
Verpflegung für Journalisten sucht man allerdings im Garden vergeblich. Natürlich bin ich als zum Arbeiten und nicht zum Essen oder Trinken bei einem Sportereignis. Allerdings wäre ein einfaches Wasser durchaus angenehm. Meine Suche nach einem Getränk endet letztlich mit dem Erwerb eines Gatorade. Für stolze 7 Dollar die billigste Wahl. Wasser habe ich im Bridge-Bereich gar nicht gefunden. Das Essen bietet dafür die ganze Palette amerikanischer Gourmetkunst. Von Popcorn über Tacos bis hin zum Hot Dog ist für Freunde des Fastfoods alles dabei. Aber auch hier die Einordnung: Bis auf die fehlenden Getränke für die Presse, unterscheidet sich das kulinarische Angebot der Gardens nur minimal von dem anderer Hallen.
Die Atmosphäre
Die Stimmung während der beiden Spiele der Knicks von denen ich berichten darf ist gut. Im ersten Spiel wird ein neuer Rekord für Punkte in einem Viertel aufgestellt. In der zweiten Partie gleicht die Mannschaft gegen den Rivalen und Favoriten aus Boston nach einem hohen Rückstand kurz vor Schluss noch einmal aus. Gerade in diesem zweiten Spiel, bei dem ich zwischendurch im Unterrang sitze, bekomme ich einen Eindruck davon, wie laut und enthusiastisch die New Yorker sein können. Hier wird Basketball gelebt und hier wird auch anderen großen Spielern (in diesem Fall zu Spielbeginn Kyrie Irving) Respekt gezollt. Als Irving allerdings gegen Ende des Spiels einige Freiwürfe schindet, bekommt er auch direkt den kompletten Spott und Hohn des Publikums akustisch zu spüren.
Dass auch der Garden nicht immer vor Begeisterung überkocht, merke ich beim Spiel der Rangers gegen die Flames. Es ist Sonntagabend, New York befindet sich in einem Umbruchsjahr und ist schlecht in die Saison gestartet. Nach gutem Beginn liegen die Rangers zwischenzeitlich 0:3 hinten. Die Halle ist für ein paar Minuten der stillste Ort in der lärmenden Millionenmetropole. Kein Anfeuern, keine Reaktion auf das Spielgeschehen, einfach nur Ruhe. Nachdem kurz vor Schluss der Ehrentreffer erzielt wurde, kommt noch einmal so etwas wie Stimmung auf. Letztlich kann aber auch das nicht über ein sehr maues Erlebnis hinwegtäuschen. An der Decke hängen die Trikots von Mark Messier und Brian Leetch, deren Nummern nicht mehr vergeben werden. Aber auf dem Eis standen heute nur Vladislav Namestnikov und Marc Staal.
Vielleicht steht der Madison Square Garden stellvertretend für viele Sehenswürdigkeiten. Im Fernsehen und auf der Kinoleinwand wirken die Orte größer, schöner und magischer, als sie in Wirklichkeit sind.
Teurer Pflaster
Zwei Dinge mögen zusätzlich zum Mythos Madison Square Garden beitragen. Erstens spielt jeder berühmte Künstler und jede berühmte Band hier. Oft. So oft sie können. Billy Joel hält aktuell den Rekord mit mehr als 100 Konzertshows.
Zweitens ist der MSG einfach teuer. Sehr teuer. Die Karten für das normale Saisonspiel Rangers gegen Flames hätten im obersten Oberrang 100 Dollar oder mehr gekostet. Die Plätze sind begrenzt, New York hat knapp 11 Millionen Einwohner und die vielen Touristen wollen auch etwas erleben. Trotz der horrenden Preise ist so gut wie jede Veranstaltung ausverkauft.
Das Besondere
Was macht für Fans und Aktive die Faszination des Gardens aus? Seit der Eröffnung des Madison Square Garden 1968 haben die Knicks und Rangers zusammen drei Meisterschaften gewonnen. Die letzte der „Blueshirts“ stammt von 1994, die der Knickerbockers sogar von 1973. Es gibt eine Vielzahl an Hallen, in denen wesentlich erfolgreicherer Mannschaften aktiv sind. Dennoch übt der Garden eine besondere Kraft für Sportler aus, vor allem im Basketball.
New York hat eine große Basketballkultur, die über Jahrzehnte auf Freiplätzen wie dem legendären Ruckerpark auch immer wieder NBA-Spieler angezogen hat. Die sportliche Bühne im MSG – in direkter Nähe zum Broadway – ist vielleicht die größte der Welt. Was in Manhattan passiert, dass hallt bis in die letzten Ecken der Welt nach.
Michael Jordan war immer besonders motiviert im MSG gute Leistungen zu zeigen. Auch heutige Stars wie Kevin Durant oder Stephen Curry möchten bei Auswärtsspielen gegen die Knicks immer ihr gesamtes Können zeigen. „Der Madison Square Garden hat Historie“, sagte Daniel Theis über die Halle an der 8th Avenue. „Die Stimmung ist immer gut“. Für den aktuellen Center der Knicks, Enes Kanter ist jedes Spiel im Garden ein Highlight. „Du spielst im MSG, im Mekka! Das Besondere sind die Fans, die Rufe, die Anfeuerung!“, sagte Kanter nach dem ersten Saisonspiel.
Letztlich ist der Madison Square Garden wie die Stadt in der er steht. Alt, aber nicht richtig historisch – kapitalistisch, aber nicht gnadenlos erfolgreich. Ein Ort an dem normale Menschen leben und arbeiten, aber der gleichzeitig immer wie eine Filmkulisse wirkt. Dreckig, aber doch mit einer Eleganz und Ausstrahlung, die sich manchmal erst auf den zweiten Blick offenbart.
Mich packt der Garden dann auch irgendwann. Bei jedem Spiel. Kurz bin ich der Teenager, der nachts um vier die Knicks gegen die Rockets gesehen hat. „Go New York, go New York, go! … cause 94 is the Knickerbockers season!“ Ne, nicht „94“, nicht „04“ und auch nicht „14“, egal. Und ich erinnere mich zurück an das letzte Spiel von Gretzky. Noch einmal ein Assist. Noch einmal Verlängerung. Dann war Ende. Im Garden. Dem legendären MSG.
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