Philipp Lahm tritt zurück – eine gute Nachricht!
Die WM ist vorbei, Gauchogate so gut wie überstanden, die ersten Transfers sind getätigt und eigentlich wäre jetzt Zeit um etwas zu verschnaufen, von fast fünf Wochen Weltmeisterschaftsstress. Mitten in die beginnende Ruhephase platzte aber heute eine überraschende Meldung: Philipp Lahm, der Kapitän des frischgebackenen Weltmeisters, tritt aus der Nationalmannschaft zurück.
Auf den ersten Blick kommt dieser Schritt sehr überraschend. Natürlich könnte Lahm noch zwei, vielleicht sogar vier Jahre in der Nationalmannschaft auf höchstem Niveau spielen.
Zunehmend verletzungsanfällig
Dafür müsste er allerdings weiterhin von schweren Verletzungen verschont bleiben. Lediglich in seiner Anfangsphase beim VFB Stuttgart hatte er einen Ermüdungsbruch und wenig später einen Kreuzbandriss zu verkraften. Ansonsten erfreute sich Lahm bester Gesundheit – bis jetzt. Die letzten Monate zeigten, dass knapp 50 Pflichtspiele pro Jahr in Bundesliga, DFB Pokal, Champions League und bei der Nationalmannschaft auch an einem Philipp Lahm nicht mehr spurlos vorbeigehen. Nachdem er sich im DFB Pokal-Finale verletzt hatte, verpasste Lahm auch Teile des Trainingslagers vor der Weltmeisterschaft. Mit 30 Jahren erholt sich der Körper langsamer von den Belastungen der englischen Wochen. Das hat Lahm erkannt und für sich den richtigen Schluss daraus gezogen.
Als er im Juni seinen Vertrag bei Bayern München bis 2018 verlängert hatte, verkündete Lahm: ” „Ich will noch einmal die Champions League gewinnen.“ Um dieses Ziel zu erreichen braucht er mehr Ruhepausen als bisher. Auch weil Lahm von Pep Guardiola mittlerweile bevorzugt im Mittelfeld eingesetzt wird. In der Schaltstelle des Bayernspiels sind die Belastungen noch höher, als auf der Außenbahn.
Keine bequeme Entscheidung, aber eine mit Weitsicht
Die Entscheidung von Philipp Lahm ist keine populäre Entscheidung. Obwohl es bereits viele Stimmen gab, die ihm für seine Leistungen bei der Nationalmannschaft danken, so werden sich auch viele Fans und Experten fragen, warum Lahm nicht wenigstens noch die zwei Jahre bis zur Europameisterschaft 2016 weiter für Deutschland spielt. Ein Scheitern bei der EM in Frankreich würde das positive Bild des Weltmeister-Kapitäns wohl kaum trüben.
Doch obwohl Lahm auch aufgrund seiner Körpergröße immer ein wenig wie der kleine Schuljunge wirkte, war er sich nicht zu schade auch unbequeme Entscheidungen zu treffen.
Er lebte nicht nur in der Gegenwart, sondern wagte ebenso einen Blick in die Zukunft. Dafür nahm er auch Widerstände in Kauf. Als er 2009 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Transferpolitik des FC Bayern kritisierte, da bekam er zwar die höchste Geldstrafe in der Geschichte des Vereins, aber ab 2010 begann bei den Bayern die erfolgreichste Ära seit den 70ern. Die Kritik war berechtigt und zeigte Wirkung.
Auch jetzt beweist Philipp Lahm Weitsicht. Mit Ausnahme des Europameistertitels hat der 30jährige alles gewonnen, was es als Profifußballer zu gewinnen gibt. Er geht auf dem Höhepunkt seiner Karriere, und er geht freiwillig!
Herausforderungen für Jogi Löw
Auch wenn der Rücktritt von Philipp Lahm ein großer Verlust für den DFB ist, so könnte er dennoch positive Folgen für die Nationalmannschaft haben. Joachim Löw steht jetzt vor mehreren neuen Herausforderungen.
Die einfachste dürfte dabei die Besetzung der vakanten Stelle als Spielführer sein. Setzt Bastian Schweinsteiger sein Karriere im Trikot des DFB fort, so ist er die logische Wahl. Beendet auch der zweite Münchner seine Zeit bei der Nationalmannschaft, dann steht mit Manuel Neuer ein weiterer guter Kandidat zur Verfügung. Auch Sami Khedira, Mats Hummels oder Toni Kroos wären denkbare Nachfolger als Kapitän.
Die größere Aufgabe für Joachim Löw wird aber die Außenverteidigerposition in der Nationalmannschaft sein. Selbst ohne Lahms Rücktritt hätte der Bundestrainer auf den beiden Außenpositionen in der Viererkette nach Alternativen suchen müssen. Mit Benedikt Höwedes ist Deutschland Weltmeister geworden, aber eine dauerhafte Lösung dürfte er nicht sein.
Vielleicht hat Löw auch ganz andere, neue Ideen für seine Abwehr. Pep Guardiola probierte in München bereits die Dreierkette, warum soll der Bundestrainer diese Formation nicht auch testen. Für die Entwicklung in der Nationalmannschaft könnte der Rücktritt von Philipp Lahm auf lange Sicht ein Vorteil sein. Der Schritt öffnet anderen Spielern eine Chance und zwingt den Bundestrainer dazu, neue Lösungen zu finden. Ein Rücktritt von Löw wird mit dem Rücktritt von Lahm eher unwahrscheinlich.
Volle Konzentration auf den Verein
Ausnahmslos positiv ist die Entwicklung dagegen für den FC Bayern. Vor allem in den Jahren nach großen Turnieren, war die Mannschaft des FCB oft nur schwer in den Gang gekommen. Meistens hatte sich der Rekordmeister mühsam durch die Hinrunde gequält. Nicht umsonst wurde 06/07, 08/09 und 10/11 immer der Trainer entlassen. Dass Philipp Lahm jetzt nicht mehr die zusätzliche Belastung durch die Nationalmannschaft hat, wird in München hinter den Kulissen sicher für Begeisterung sorgen. Statt am 03. September bei der Wiederauflage des WM-Finals in Düsseldorf gegen Argentinien anzutreten, kann Lahm die erste Pause der Saison einlegen. Es wird ihm gut tun.
Mit dem Verein möchte Philipp Lahm noch einmal die Champions League gewinnen. Aufgrund seiner Erfahrungen aus den Jahren beim FC Bayern weiß er, dass dieses Ziel schwer zu erreichen ist. Er hat jetzt die Möglichkeit sich auf dieses eine Ziel zu konzentrieren. Gut für Lahm und gut für den FC Bayern München.
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